Firmenübernahme in Frankreich:
Unternehmen finden und bewerten
Juni 2022, Transversale Conseil
Sie möchten als deutsches, schweizerisches oder österreichisches Unternehmen auf dem französischen Markt Fuß fassen oder Ihre Marktposition stärken? Anstatt eine Tochtergesellschaft in Frankreich zu gründen, haben Sie die Möglichkeit, ein existierendes französisches Unternehmen zu übernehmen. Wie identifiziert man ein zu übernehmendes Unternehmen in Frankreich? Wie tritt man an die Geschäftsleitung heran, um Interesse an einer möglichen Aktienübertragung zu bekunden? Und wie lässt sich das Unternehmen nach der Kontaktaufnahme bewerten, bevor man ein Angebot vorlegt?
1. Identifizierung eines in Frankreich zu übernehmenden Unternehmens
Zur Identifizierung der Unternehmen in Frankreich, die zur Übernahme bereitstehen, gibt es mehrere Möglichkeiten:
Online-Anzeigen: Unternehmensnachfolge-Börsen in Frankreich
Ähnlich wie die deutsche Webseite nexxt-change.org (Unternehmensnachfolge-Börse) existieren auch in Frankreich spezialisierte Webseiten zur Veröffentlichung von Anzeigen für zu verkaufende Unternehmen oder für die Suche nach Unternehmen, die übernommen werden sollen. Dies wird als offizieller Markt für Unternehmensübertragungen bezeichnet: Jeder kann sich die Anzeigen von Unternehmen, die offiziell zum Verkauf stehen, frei ansehen. Die bekannteste französische Webseite für Unternehmensübertragungen ist fusacq.com. Die Industrie- und Handelskammern der Region Grand Est (Ostfrankreich) veröffentlichen auch Anzeigen auf der Webseite opportunet.net.
Französische M&A-Kanzleien
Die auf M&A-Beratung spezialisierten Gesellschaften verfügen über Kauf- oder Verkaufsmandate. Es ist möglich, diese Kanzleien direkt zu kontaktieren, um ganz unverbindlich die Beschreibungen der Unternehmen, die gerade zum Verkauf stehen und durch diese M&A-Kanzleien beraten werden, anzufordern. Einige französische M&A-Kanzleien verfügen über einen International Desk oder sogar einen German Desk und können daher auch Unterlagen auf Englisch oder Deutsch übermitteln.
Ihr professionelles Netzwerk in Frankreich
Sie pflegen in Ihrer Branche ein professionelles Netzwerk auf dem deutschsprachigen Markt, und womöglich auch in anderen Ländern. Es ist nicht unüblich, dass sich die Gelegenheit bietet, ein französisches Partnerunternehmen, mit dem Sie bereits zusammenarbeiten, zu kaufen – entweder durch den Erwerb der gesamten Anteile oder auch zunächst durch eine Minderheitsbeteiligung. Zögern Sie nicht, das Thema mit der französischen Geschäftsleitung offen anzusprechen: Wenn Sie bereits geschäftlich zusammenarbeiten, kann ein Kapitalprojekt durchaus Sinn ergeben. Des Weiteren ist die Kultur der familieninternen Unternehmensübergabe in Frankreich leider weniger ausgeprägt als in Deutschland, sodass zahlreiche KMU-Leiter sich über eine Lösung zur Übergabe ihres Unternehmens freuen.
Der versteckte Markt für Unternehmensübernahmen in Frankreich
Es gibt darüber hinaus einen von den M&A-Beratern als „versteckt“ bezeichneten Markt für Unternehmensübertragungen: Es handelt sich um einen Markt, auf dem der Käufer selbst für die Gelegenheit zur Übernahme verantwortlich ist, indem er die Unternehmen, die seinen Suchkriterien entsprechen (Branche, Umsatz, Mitarbeiteranzahl, geographisches Gebiet, Produktionsstätte etc.), identifiziert und mit diesen Unternehmen Kontakt aufnimmt, um das Interesse des Geschäftsführers an einem möglichen Verkauf in Erfahrung zu bringen. Aber wie kann bzw. sollte man als deutsches Unternehmen an einen französischen Unternehmensleiter herantreten?
2. Kontaktaufnahme mit französischen Unternehmensleitern
Der erste Schritt ist getan: Sie haben ein französisches Unternehmen identifiziert, das Sie gerne übernehmen würden. Aber wenn Sie die Geschäftsführer nicht persönlich kennen, wie können Sie dann mit ihnen Kontakt aufnehmen, um ein eventuelles Kaufprojet zu besprechen?
Als mögliches Konkurrenzunternehmen kann es mehr oder weniger einfach sein, mit dem Leiter eines französischen Zielunternehmens in Kontakt zu treten. In einigen kleineren Unternehmen kann der Geschäftsführer leicht telefonisch erreicht werden. In anderen hat die Assistenz der Geschäftsleitung eine Filterfunktion, wie in Deutschland oder Österreich.
Darüber hinaus kann es durchaus eine echte Sprachbarriere geben, da nicht alle Franzosen gut Englisch sprechen, insbesondere in kleinen und weniger international ausgerichteten Unternehmen. Außer im Elsass, wo einige Personen noch den elsässischen Dialekt oder sogar Deutsch auf professionellem Niveau beherrschen, sollte der erste Telefonkontakt vorzugsweise auf Französisch erfolgen.
Die ideale Strategie für die Kontaktaufnahme mit einem französischen Geschäftsführer besteht darin, über einen französischsprachigen Vermittler zu gehen, der das „Kooperationsprojekt“ anonym und in groben Zügen vorstellt, um die direkten Kontaktdaten des Geschäftsleiters zu erhalten und einen ersten Vorstellungstermin mit ihm zu vereinbaren.
3. Ein französisches Unternehmen bewerten
Sie sind nun mit dem Geschäftsleiter des französischen Zielunternehmens in Kontakt getreten und dieser hat Ihnen seine Absicht bestätigt, sein Unternehmen zu veräußern. Wie können Sie den Jahresabschluss eines französischen Unternehmens einholen, um es zu bewerten?
Die Vertraulichkeit des Jahresabschlusses in Frankreich
In Frankreich herrscht eine gewisse Kultur der finanziellen Transparenz. Dies ist ein wichtiger Punkt für Deutsche oder Österreicher, wenn sie mit Franzosen verhandeln wollen! Allerdings haben französische Unternehmen seit 2016 die Möglichkeit, die Vertraulichkeit ihrer GuV-Rechnung zu beantragen, sofern sie gewisse Kriterien betreffend Umsatz, Bilanzsumme und Mitarbeiteranzahl erfüllen.
- Kleinstunternehmen können die vollständige Vertraulichkeit ihres Jahresabschlusses (Bilanz, GuV-Rechnung und Anhang) beantragen. Ein Kleinstunternehmen in Frankreich darf maximal einen der drei folgenden Schwellenwerte überschreiten: 350T€ Bilanzsumme, 700T€ Nettoumsatz, 10 Mitarbeiter.
- Kleinunternehmen können die Vertraulichkeit für ihre GuV-Rechnung beantragen. Ein kleines Unternehmen in Frankreich darf maximal einen der folgenden drei Schwellenwerte überschreiten: 6 Mio. € Bilanzsumme, 12 Mio. € Nettoumsatz, 50 Mitarbeiter.
- Schließlich können sich mittelgroße Unternehmen auf eine vereinfachte Veröffentlichung ihrer Bilanz und ihres Anhangs beschränken, wenn sie maximal einen der drei folgenden Schwellenwerte überschreiten: 20 Mio. € Bilanzsumme, 40 Mio. € Nettoumsatz und 250 Mitarbeiter.
Einsichtnahme in den Jahresabschluss eines französischen Unternehmens
Auf einigen Webseiten, wie societe.com oder infogreffe.fr, können Sie gegen eine kleine Gebühr (und auf data.inpi.fr nun sogar kostenfrei) eine Kopie des Jahresabschlusses eines französischen Unternehmens abrufen. Wenn Sie mit dem Geschäftsleiter des französischen Unternehmens Kontakt aufgenommen haben, ist es allerdings am einfachsten und aus diplomatischer Sicht am besten, ihn direkt um die Übermittlung des Jahresabschlusses des Unternehmens zu bitten. Vorab kann eine Vertraulichkeitserklärung unterzeichnet werden, um Ihrem französischen Ansprechpartner Ihre Diskretion zuzusichern. Auf diese Weise können Sie ohne Umwege auch zusätzliche Dokumente und Erklärungen anfordern, die Sie für Ihre Analyse benötigen. Diese Vorgehensweise ist in Frankreich durchaus normal und wird akzeptiert. Natürlich werden Sie nicht sofort streng vertrauliche Informationen (wie Listen von Kunden oder Lieferanten) erhalten, aber die Übermittlung des Jahresabschlusses sollte grundsätzlich kein Problem darstellen.
Bewertung des französischen Zielunternehmens
Nachdem Sie den Jahresabschluss erhalten haben, können Sie die Bewertung des französischen Unternehmens vornehmen, um einen Kaufpreis festzulegen, der dessen Rentabilität und Ihre Finanzierungsmöglichkeiten berücksichtigt. Es gibt buchhalterische und rechtliche Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland, die bei der Bewertung unbedingt beachtet werden müssen.
Hier einige Beispiele:
- In Frankreich ist es üblich, Betriebsimmobilien auf eine Immobiliengesellschaft (sog. société civile immobilière) zu übertragen, an welche die Betriebsgesellschaft Mieten zahlt.
- Die im Rahmen von Finanzleasingverträgen vermieteten Immobilien werden in Frankreich nicht in den Aktiva der Bilanz ausgewiesen; lediglich Mietgebühren werden in der GuV-Rechnung verbucht.
- Rentenverpflichtungen werden in Frankreich häufig nicht in der Bilanz ausgewiesen. Französische Unternehmen haben die Möglichkeit, Rückstellungen zu bilden. Dies ist jedoch nicht verpflichtend und nur wenige Unternehmen tun es, da diese Rückstellungen nicht steuerlich absetzbar sind. Der Betrag der Rentenverpflichtungen wird jedoch normalerweise im gesetzlichen Anhang zum Jahresabschluss aufgeführt (außerbilanzielle Verpflichtung).
Am einfachsten ist es, einen französischen Fachmann im Bereich Unternehmensbewertung zu beauftragen, der Ihnen eine objektive und realistische Preisspanne nennen und Sie über die finanziellen und buchhalterischen Besonderheiten des französischen Zielunternehmens informieren kann. Die meisten M&A-Kanzleien bieten auch die Bewertung von Zielunternehmen an und holen die nötigen Informationen direkt bei den Finanzabteilungen oder dem Steuerberater des zu bewertenden Unternehmens ein.
Fazit: Sie haben ein französisches Unternehmen identifiziert, das Sie übernehmen möchten, haben mit dem Geschäftsleiter Kontakt aufgenommen und das Unternehmen bewertet. Der nächste Schritt ist die Festlegung der rechtlichen Rahmenbedingungen und die Erstellung eines Letter of Intent, um Ihrem französischen Partner Ihr Interesse an der Übernahme offiziell zu bestätigen.
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