Französische Lebensläufe verstehen
4 Tipps für deutsche Recruiter∙innen
August 2023, CBC Communication & Business Consulting
Französische Lebensläufe wirken oft wie ein gut gehütetes Geheimnis – voller Nuancen, Abkürzungen und Informationen, die es zu entdecken gilt.
Als deutsche∙r Recruiter∙in ist das Verstehen dieser Lebensläufe von entscheidender Bedeutung, um die besten Kandidat∙innen zu finden und zu gewinnen.
Wir zeigen Ihnen in vier Schritten, worauf Sie beim Lesen französischer Lebensläufe achten müssen, um diese richtig einschätzen und interpretieren zu können.
1. Unterschiede im Layout verstehen: Farben, Emojis und Kompetenzprofil
Ein französischer Lebenslauf ist nicht nur inhaltlich anders, sondern auch visuell auffällig – das Layout unterscheidet sich deutlich von den klassischen deutschen Lebensläufen.
Während in Deutschland oft ein nüchternes, chronologisches und eher schlichtes Format bevorzugt wird, ziehen französische Bewerber∙innen farbenfrohe Gestaltungen mit Emojis und Grafiken vor.
Dabei setzen sie gerne auf Farben, um wichtige Abschnitte und Kompetenzen hervorzuheben.
Diese leiten das Auge des Betrachters und lenken die Aufmerksamkeit auf die Schlüsselaspekte des Lebenslaufs. Emojis und Grafiken werden oftmals verwendet, um Soft Skills, Interessen oder spezielle Leistungen visuell darzustellen.
Lebensläufe in Frankreich zeichnen sich außerdem oft durch ihre Kürze aus – meistens umfassen sie nur eine bis zwei Seiten. Diese Kompaktheit fordert Bewerber∙innen heraus, sich auf die wesentlichen Informationen zu konzentrieren und präzise Formulierungen zu wählen.
Statt langer Abschnitte zu Berufserfahrung und Bildung fassen Bewerber∙innen daher ihre Kernkompetenzen und Fähigkeiten in prägnanter Form in einem Kompetenzprofil zusammen.
Diese ermöglicht Recruiter∙innen, die relevanten Qualifikationen der Bewerber∙innen auf einen Blick einzuschätzen, da Zeugnisse und Zertifikate häufig nicht als Anhang beigefügt werden.
Das Ziel des französischen Lebenslaufs ist, Expertise und den „Marktwert“ der Bewerber∙innen auf einen Blick erkenntlich zu machen.
Oftmals finden Sie im oberen Bereich eine kurze Zusammenfassung der Expertise, z.B.
„Senior Sales Manager mit 10+ Jahren Berufserfahrung im B2B im Cloud-Bereich, dreisprachig (FR|DE|EN)“.
Unser Tipp als deutsch-französische Personalberater∙innen:
Das Layout französischer Lebensläufe kann auf den ersten Blick unkonventionell erscheinen. Dahinter steckt jedoch eine durchdachte Methode, um
- Ihre Aufmerksamkeit zielgerichtet auf relevante Fähigkeiten zu lenken,
- Ihnen die Einschätzung des Kompetenzprofils so leicht wie möglich zu gestalten.
Seien Sie offen für diese kreative Gestaltungsweise und lassen sich darauf ein, die visuellen Elemente in Verbindung mit den fachlichen Qualifikationen zu betrachten.
Dies ermöglicht Ihnen, ein umfassenderes Bild potenzieller Kandidat∙innen zu gewinnen, ihr Kompetenzprofil richtig einzuschätzen und die passenden Talente für Ihr Unternehmen zu identifizieren.
2. Französisches Bildungssystem und Abschlussbezeichnungen verstehen: Ein Puzzle mit vielen Kleinteilen
Französische Bildungswege sind ein komplexes Puzzle aus verschiedenen Abschlüssen, von denen einige in Deutschland so nicht existieren, wie „Licence“, „BTS“ oder „DUT“.
Auch die oft verwendeten Abkürzungen „Bac+3“ oder „Bac+4“ können im ersten Moment für Verwirrung sorgen.
Wir bringen es Schritt für Schritt auf den Punkt.
Das erreichte Bildungsniveau wird in Frankreich oft mit der Formel „Bac+“ abgebildet – „Bac“ (Baccalauréat) für das Abitur und „+“ für die Anzahl der abgeschlossenen Studienjahre.
„Bac+“ bezeichnet die Anzahl der Jahre nach dem Abitur, die für einen entsprechenden Abschluss benötigt werden.
Ein „Bac+2“ bezeichnet eine zweijährige Ausbildung nach dem Abitur, die beispielsweise an einer beruflichen Schule bzw. einem Fachinstitut (Abschluss „BTS“ oder „DUT“) absolviert werden kann.
Ein „Bac+3“ entspricht in der Regel einem dreijährigen Bachelor-Abschluss, während ein „Bac+5“ auf einen Master-Abschluss hinweist. In Frankreich unterscheidet man jedoch zwischen dem Master 1 („Bac+4“ ein Masterjahr nach dem Bachelor) und einem Master 2 („Bac+5“ zwei Masterjahre nach dem Bachelor).
Um ein vollständiges Bild zu erhalten, ist es wichtig zu verstehen, welche Fähigkeiten und Fachkenntnisse diese Abschlüsse repräsentieren.
Ein „Master“ kann beispielsweise sowohl einen akademischen als auch einen berufsbezogenen, praktischen Schwerpunkt haben. Dies unterscheidet sich, je nachdem, welche Hochschule besucht wurde.
Auch an dieser Stelle gibt es Unterschiede: Man unterscheidet zwischen der Universität („université“), den technischen Hochschulen („Institut Universitaire de Technologie“, kurz „IUT“) und den „Grandes Écoles“ oder auch „Ecoles Supérieures“, die höhere Eintrittsbarrieren aufweisen und auf eine oder wenige Fachrichtungen spezialisiert sind.
Vielleicht fragen Sie sich an dieser Stelle: „Wie kann ich das Profil eines∙r Kandidat∙in durch die vielen Bildungswege richtig einschätzen? Repräsentiert eine „licence“ mehr fachliche Kompetenz als ein „DUT“? Was genau ist der Unterschied zwischen einer „licence“ und einer „licence professionelle“?
3. Französische Bildungswege verstehen = Kompetenzprofil richtig einschätzen
Französische Bildungswege verlaufen in sog. Zyklen („cycles“), welche man in ihrer Struktur vorsichtig mit dem deutschen Grund, Haupt- und Aufbaustudium vergleichen könnte.
Der „1er cycle“
Der „1er cycle“ umfasst zwei Studienjahre und dient dem Erwerb erster Kenntnisse.
Technische Hochschulen („Institut Universitaire de Technologie“, kurz „IUT“) bieten Studiengänge an, die als „filières courtes“ bezeichnet werden. Diese Studiengänge dauern ca. zwei Jahre und führen zur Verleihung des „Diplôme Universitaire de Technologie“ (DUT).
Kurze, fachspezifische Studiengänge im Dienstleistungssektor und in der Industrie werden auch an „lycées professionnels“ und in privaten Bildungseinrichtungen angeboten. Sie führen zu Abschlüssen wie dem „Brevet de Technicien Supérieur“ (BTS).
Ein Beispiel für einen solchen Studiengang ist die „licence professionnelle“, die in der Regel drei Jahre dauert. Diese werden sowohl von Universitäten, als auch von privaten Einrichtungen angeboten und dauern in der Regel drei Jahre.
Eine „licence professionelle“ entspricht demnach einem „Bac+3”, ein „DUT“ einem „Bac+2” und ein „BTS” einem „Bac+2”.
Der „2ème cycle“
Der „2ème cycle“ umfasst die beiden darauffolgenden Studienjahre und dient der Vertiefung des Wissens sowie einer ersten Spezialisierung.
Dieser Zyklus unterteilt sich wiederum in zwei getrennte Studienjahre. Das erste Jahr endet mit einem Abschluss, der „Licence“ genannt wird, und das zweite mit dem „Master 1“.
Ein „Master 1“ entspricht demnach einem „Bac+4“, eine „licence“ einem „Bac+3“.
Der „3ème cycle“
Nach dem Abschluss des „Master 1“ können sich Studierende für den „3ème cycle“ bewerben.
Hier können sie in einem einjährigen Aufbaustudium den „Master 2“ erwerben, der auf die praxisnahe Vertiefung ihrer Studieninhalte abzielt.
Der „3ème cycle“ dauert insgesamt ein akademisches Jahr.
Ein „Master 1“ entspricht demnach einem „Bac+4“, ein „Master 2“ einem „Bac+5“.
Unser Tipp als deutsch-französische Personalberater∙innen:
Die Unterschiede zwischen deutschen und französischen Bildungswegen machen die Notwendigkeit eines neuen Bewertungsmaßstabs deutlich.
So können die Unterschiede in den französischen Bildungswegen wichtige Einblicke in die Qualifikationen des Kandidaten geben.
Beim Interpretieren französischer Lebensläufe sollten Sie das Gesamtbild betrachten, indem Sie die Abschlussbezeichnungen in Verbindung mit dem Kompetenzprofil und den praktischen Erfahrungen de∙r Bewerber∙innnen sehen.
Diese Herangehensweise ermöglicht Ihnen, ein umfassendes Bild der Fähigkeiten und Qualifikationen der Kandidat∙innen zu gewinnen und somit die besten Entscheidungen bei der Auswahl der richtigen Talente für Ihre Kund∙innen oder Ihr Unternehmen zu treffen.
4. Herausforderungen und Chancen: Das große Ganze sehen
Wir wissen nun: Das Verstehen französischer Lebensläufe bringt Herausforderungen mit sich, sowie immense Chancen – sowohl auf der fachlichen, als auch auf der persönlichen Ebene.
Die Vielfalt der Ausbildungswege und praktischen Erfahrungen eröffnet die Möglichkeit, Talente nicht nur mit unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten, sondern auch zu gewinnen.
Diese Kandidatinnen und Kandidaten bringen nicht nur fachliche Fähigkeiten mit ein, sondern auch eine frische Perspektive und innovative Ideen.
Das Eintauchen in diese Welt erlaubt es Ihnen, über Abschlüsse hinauszublicken und die breitere Palette von Fähigkeiten und Qualifikationen zu erkennen, die Kandidaten mitbringen können.
Unser Tipp als deutsch-französische Personalberater∙innen:
Halten Sie Ihr Auge für das Besondere offen und seien Sie bereit, sich auf dieses „Umdenken“ einzulassen.
Nutzen Sie die Gelegenheit, die Vielfalt der Talente in ihrer ganzen Bandbreite kennenzulernen.
In manch einem unkonventionellen Layout oder einer scheinbar kryptischen Abkürzung könnte sich genau der oder die Kandidat∙in verbergen, den∙die Ihr Unternehmen dringend sucht. Wir erleben dies fast täglich.
Französische Lebensläufe verstehen – Fazit:
Die Entschlüsselung französischer Lebensläufe für deutsche Recruiter∙innen ist wie das Lösen eines faszinierenden Rätsels.
Hinter den Abkürzungen, bunten Gestaltungen und kompakten Profilen verbergen sich einzigartige Qualifikationen, praxisorientierte Fähigkeiten und eine reiche Vielfalt an Bildungswegen.
Es ist das Verstehen der Gesamtheit aus Fachrichtungen, praktischen Erfahrungen und persönlichen Kompetenzen, das den wahren Wert der Kandidat∙innen enthüllt.
Dies erfordert Offenheit, Neugierde und die Bereitschaft, über Gewohnheiten und tradierte Herangehensweisen hinauszublicken.
Als deutsch-französische Personalberater∙innen begleiten wir Sie gerne dabei, französische (Kompetenz)profile besser zu verstehen und den für Sie bestmöglichen Kandidaten zu gewinnen.
Kommen Sie gerne auf uns zu, wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!